Arbeiten im Rahmen des Montjoie Stipendiums

Rauminstallation mit Schiefertafeln
Kunst- und Kulturzentrum Monschau, Dezember 2006:



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Rauminstallation zum Abschluss des Montjoie-Stipendiums
Kunst- und Kulturzentrum Monschau, Februar 2007:


... über die Installation im KuK-Monschau

“Es ist, was es ist”, sagt Jakob Kreutzfeldt.
Und das, was wir hier sehen, ist das, was es ist. Nicht mehr und keinesfalls weniger. Aber stimmt das auch? Oder treibt der Künstler ein durchtriebenes Spiel mit uns? Ein hintergründiges Spiel mit dem Offensichtlichen, mit unseren Ansichten und Einsichten.
Was ist also das, was wir sehen? Zunächst nur einen Quader, sichtbar aus Rigips nachlässig gefertigt, der den Raum beherrscht. Ein wahrlich raumgreifender Akzent ist hier gesetzt und so angeordnet, dass wir gezwungen sind, um ihn herumzugehen wie die Gläubigen um die Kaaba in Mekka. Er ist auffällig unbeholfen einerseits mit Schiefer andererseits mit Laminat unverfugt verblendet, das bedeutet ein Körper mit zwei Gesichtern: innen ein Hohlraum und aussen Blendwerk.
Das Laminat mit seiner Teakholz-Mahagoni-Anmutung gefällt sich im farblichen Einklang mit dem taubengrauen Linoleum des Galeriebodens und der Schiefer trägt noch fast malerisch die Gebrauchsspuren aus seiner Zeit als Dachschindel. Eine Aussparung verweist auf einen Kamin, den es gar nicht gibt und nicht geben wird. Eingefasst in die Laminatseite ein Küchenschrank, sorglos übermalt, sehr verschnörkelt, vielleicht aus den 50er Jahren und auch da nur das Zitat eines verschlissenen Barock. Im Fenster der Fernseher und darin der Film: wir sehen eine Frau bei der Zubereitung von Rouladen. Unspektakulär, dem Alltäglichen entnommen, still, kein Ton, nichts Lärmendes, fast kontemplativ die Atmosphäre. Es könnte jemand sein, den wir gut kennen.

Jakob Kreutzfeldt fragt nach Sehgewohnheiten und Wahrnehmungsmustern von Alltagsgegenständen und wie sie durch den Kontext beeinflusst werden.
Er sucht nach der Energie in jeder Gestalt, in jedem Material und jeder Form. Seine Arbeiten sind direkt und unmittelbar aber niemals eindeutig: Sie sind einerseits Möbel, aber auch Skulptur, schließlich bildliche Darstellung, Fotografie, Video und Ereignisraum und letztlich Denkstation über die Eigenschaften der Dinge und ihre Beziehungen zueinander.
In der bewussten Abkehr vom (Kunst-)Handwerklichen wird der Dilettantismus in der Bearbeitung des Materials zum Kalkül. Ebenso die Fragen nach dem Zusammenhang von Funktion und Identität der Dinge und sein Interesse an Fassaden, Attrappen und Kulissen und sein Spiel mit unserer Wahrnehmung von außen - innen, oben - unten, kreuz und quer, echt und falsch.
Aber auch mit Perspektive und vor allem mit der Beschaffenheit von Oberfläche: So wird bspw. das Laminat zum perfekten Instrument, um die Strategien der Verfremdung und Irritation weiter zu treiben.
Wobei er sich die bildhafte Eigenschaft der vermeintlichen Holzmaserung als ein auf die Oberfläche projiziertes Bild zunutze macht, was sowohl wie ein ‚Fake‘ als auch geradezu ‚überreal‘ wirkt. Das Material verweist auf echtes Holz, kokettiert aber auch mit der Realität als Fälschung und transportiert so ein künstliches Abbild des Originals, ein Abbild des Echten. Die Oberfläche erscheint als wäre sie etwas anderes. Das ist absurd, paradox und ganz alltäglich.
Das Raumobjekt steht an der Grenze zwischen der imaginären Bildwelt und der realen Präsenz im Raum und scheint ständig im Begriff, die Seiten zu wechseln. Seine Position ist nicht eindeutig definierbar.
Aus den Versatzstücken einer malerischen Idylle entsteht Illusion und dann Irritation.
Das ist ein Gedankenspiel über die konstituierenden Eigenschaften und konventionellen Erwartungen an Dinge. Und bei den Fotos: unüberhörbar auch der
(gesellschafts-)kritische Ansatz, der die Bilder von Überwachungskameras als alltägliche Bilderkonvention vorführt.
Die Entscheidung bleibt aber dem Betrachter überlassen und ebenso in der Schwebe gehalten oder in die Unschärfe gerückt wie die Fotos selbst.
Denn "Wenn man etwas erkennt, muss man es nicht unbedingt deutlich sehen", sagte schon Richard Artschwager.
Diese Rauminstallation von Jakob Kreutzfeldt ist eine doppelbödige und ironische Intervention über die Konventionen der Wahrnehmung.
Dabei widersetzt sich der Künstler jeder ordnungsliebenden Kategorisierung in kunsthistorische Schubladen und doch führt er eine Tradition fort. So wie es schon Duchamp mit seinem Flaschentrockner und seinem Urinoir tat, so verbringt Jakob Kreutzfeldt seine Zeit damit, die Dinge zu entstellen.
Und wenn man dabei sei es auch nur für den Bruchteil von Sekunden an der Gewissheit der eigenen Erkenntnisse zu zweifeln beginnt, ist sein Sinn erreicht.

Helga Scholl

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Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge.
Kunst zu offenbaren und den Künstler zu verbergen ist das Ziel der Kunst
Oscar Wild: Das Bildnis des Dorian Gray


Vom Verschwinden der Zeit

Das Geheimnis der Installation liegt in einem nicht geahnten Moment: Sie hat auf einen gewartet.
Der Zuschauer wird - ohne es zunächst zu wissen - Bestandteil der Installation. Ohne die Möglichkeit der Orientierung werden wir zur Figur der beobachtenden Beobachtung, die schließlich auf ihre permanente Funktion selbst verweist und damit tiefer dringt, als ein reflexartig kurzes Verweilen auf einer gespiegelten Oberfläche.
Was Jakob Kreutzfeldt den Betrachter vermittelt ist nicht nur eine Konfrontation mit seinem eigenen Blick, sondern eine Reflexion der Funktion von Betrachtung. Die Betrachtung selbst wird zum Gegenstand dieser scheinbar auf Oberflächen beschränkten Installation.
Schon vor dem ersten Schritt in den Raum wird der Blick angezogen. Noch haben wir nicht die Tür durchschritten, schon sehen wir die Begrenzung. Eine Wand voller Dachschindeln. Daneben eine schmale Flucht, zwischen Wand und Wand, es scheint, als wäre es der Raum selbst, der sich innerhalb der Installation verliert, dabei ist es aber unser Blick, der sich in seiner Gewissheit, in seinen festen Sehgewohnheiten einer Täuschung hingibt.
Treten wir hinein.
Unweigerlich verlassen die Augen den gerade entdeckten Fluchtpunkt. Sie wandern nach links, auf die bewegten Bilder des Video-Loops. Hektisch wie das Licht eines Stroboskops geben sie etwas zu erkennen, was sich - ist der Blick erst einmal fixiert – einer eindeutigen Zuordnung entzieht. Wir sind gebannt und schon gefangen im Konzept der Installation. Schnell blicken wir weiter. An die Bilder, die in Reihe an der Wand fixiert sind. Zunächst, so scheint es, handelt es sich um eine klare Zuordnung. Die Bilder zeigen Fotographien in Schwarz-Weiß. Aufgenommen an ein und derselben Stelle. Bilder einer Überwachungskamera an einer Tankstelle, so lehrt uns der flüchtige Blick bevor er strauchelt. Warum dieses Format? Es kann sich nicht einfach um Bilder der Überwachung handeln, auch hier lehrt die Form etwas über den Inhalt, Jenseits des Abgebildeten. Die Bilder im Rahmen aus unbehandelten Tropenholz, haben eine unverkennbare Polaroidform. Sie scheinen direkt aus der Überwachungskamera herausgepresst und entwickelt worden zu sein. Die sechs Bilder deuten an, dass an dieser Tankstelle der Überwachungsfilm auf Knopfdruck seine eigenen Bilder herausgibt. Ganz so, als wollte der Rahmen, der sie ungehobelt ausstellt und hinter Glas zurückhält einen Abdruck des Blicks präsentieren. In dem der Beobachter beobachtet, wird ihm seine Beobachtung vorgeführt. Als Sofortbild gibt sich die Überwachung bei ihrer Beobachtung instantan zu erkennen.
Schon aber sind wir im Raum angelangt. Schon nehmen wir beobachtend Teil an diesen wechselseitigen Verweisen, die von Oberflächen zeugen. Die Verweise zwischen den Oberflächen spiegeln dabei unsere eigene Beobachtung, die stets an Oberflächen gebunden ist, um Halt zu erlangen, auch wenn sie unbewusst weiß, dass Oberflächen zwingend darum bemüht sind, etwas anderes zu verhüllen. Ohne unser Wissen spüren wir, schon bevor wir es in Worten zu fassen vermögen, dass uns der Raum seine wuchtige Präsenz aufzwingt.

Unser Blick gleitet weiter zur nächsten Wand. Dort wieder die Rahmen aus frisch vertrauten, fremden Holz. Auf dem Weg, unmerklich noch die Wandlung des riesigen Raumteilers. Gerade noch wuchtig und Schindelbewehrt, wechselt das Material der Oberfläche, weh von einem Naturbaustoff für Außenwände, hin zu einem Baustoff des Inneren. Das Schwarz der Schindel taucht ein in das Braun des Laminats. Die natürliche Rauheit wechselt in künstliche Glätte. Der Raum so scheint es, ist nicht so klar strukturiert, wie unsere Beobachtung uns glauben ließ. Der Weg zu den vertrauten Rahmen lässt uns über diese kleine Irritation hinwegsehen. Zwei Bilder im rechteckigen Rahmen. Streng untereinander gehängt. Sie bilden an der Rückwand des Raumes. Eine Einheit, die unterschiedlicher kaum denkbar ist. Ein Sonnenuntergang über der Eifel, der sich in seiner wahren Verbrennung erst auf den zweiten Blick im doppelten Kreuz offenbart leuchtet über der Collage mehrerer Autoansichten, die neben der Zeit ihres Bestehens zwei Aussparungen in weiß bezeichnen. Ein Kind und seine Mutter, werden so zwischen Autos, wie vor einem Unfall geschützt dargestellt. Ganz so, als sollte hier ein weißes Negativ seinen strahlenden Ausdruck erhalten. Eine weitere Reihung leuchtet hier, im Schatten des verätzenden Sonnuntergangs in seiner sanften Bestimmtheit auf

Die Rückseite des Kubus gibt ihn selbst als Installationsgegenstand zu erkennen. In die glatten, mit Laminat vertäfelten Wände ragt eine Anrichte hinaus. Hinter ihren Fenster sitzt ein Fernseher, der einen Stummfilm zeigt.
Noch aber sucht der Blick Halt, sucht Vertrautes und findet es doch wiederum nur scheinbar. Die Milchtüte, in dieser Verpackung ein Relikt aus vergangener Zeit und gleichzeitig Gegenwärtig, zerrissen und von Innen, so scheint es in Auflösung begriffen.
Der Blick streift weiter. Der schmale Gang verspricht Stabilisation, vom Laminat zum Schiefer gleitet man weiter, um eine weitere Installation zu sehen. Wieder ist es ein Bild aus einer lange verschwundenen Zeit. Die Gegenstände wirken in ihrer ruhigen Haltung warm und vertraut. Zugleich aber zeigt die glatte Oberfläche der Fotografie, dass die Struktur in einer Metamorphose begriffen ist. Über dem Bild, unter ihm hindurch erkennen wir eine Auflösung, die das Vertraute des Damals im Moment der Bildung des Gegenwärtigen fixiert.
Hinter den zerkratzt scheinenden Oberflächen wuchert etwas Anderes. Die Umwelt hat von den Abbildungen Besitz ergriffen, sie verändert. Das Aufzeigen der zeitlichen Veränderung fällt erst an dieser Stelle getäuscht von der blitzschnellen Sofortbildproduktion ins Auge. Nicht die Bilder sind es, die unverändert Bleibendes darstellen, sie werden Zeugen nicht nur einer Vergangenheit sondern der vergehenden Zeit selbst. Noch einmal drehen wir eine Runde um den nun veränderten Kubus, der uns keinen Raum lässt, uns gewichtig mitteilt, dass er selbst ein Teil der Begrenzung ist, die Leben darstellt. Im Wissen um die Anrichte auf der Rückseite, nehmen wir nun die Aussparung wahr, die einen Kamin andeutet und sich auf diese Weise mit dem Schiefer auf der einen und dem künstlichen Holz auf der anderen Seite amalgamisiert. Wir wandern zurück zu der Anrichte. Sehen noch einmal auf den schön besinnlichen Film. Erkennen, das die Texttafeln eingebettet sind in die Lorbeeren des Glases der Anrichte und begreifen, das jede Oberfläche ein Fingerzeig ist, auf etwas anderes verweist, ohne es letztlich entschlüsseln zu wollen.
Wir schauen dem Rouladen-Geheimnis des Stummfilms zu. Erkennen eine ältere Frau, eine Großmutter vielleicht, die ihr geheimes Wissen um die Zubereitung des verwickelten Lebens an ihre Nachkommen, die Zuschauer weitergibt. Das Rezept selbst ist von den Großeltern an die Frau weiter gegeben worden. Wir werden Zeuge einer Generationenkette. Die Frau schaut vom Fernseher auf die Aussparungen der Personen gegenüber. Ein Kind mit seiner Mutter, welche die alte Frau gesichtslos anschauen. Auch hier die Kette der Generationen. Der Film ist auf Alt getrimmt, das Sepia erzeugt nur scheinbar die Assoziation des Alten, während die Bilder der Collage etwas längst Vergangenes im Zustand des Neuen abbilden. Der Dampf des Essens steigt nicht auf, er fällt in den Topf hinein und wir erkennen die Allegorie: Wir sind im Raum, betrachten den Film hinter Glas hinter Glas, bemerken die zeitliche Entbindung dessen, was Geschichte wirklich ist, sehen Abbilder des Lebens. Ohne selbst bloßes Abbild zu sein, werden wir Teil dieser Kunst, die uns schon längst in ihre Mitte genommen hat. Unmittelbar spüren wir beruhigend aufregend den Schlag unseres eigenen Herzens.

Nikolai Wojtko, Medienwissenschaftler

Jakobsweg / Jakob im Internetz


Aufbau einer Installation für Magdalena Jetelova
http://www.kunstforum.net/aktuell_jetelova.php

M•A•I•S-----------------------------------------------------
Multiplizität° Als°Ideenproduzierendes°System

Am Beginn stand die Idee zur Jahrtausendwende (nach christlicher Zeitrechnung) mit einer großen Kunst-ausstellung ein dann fortlaufendes Projekt zu initiieren, welches aus der Perspektive der Kunst zu essentiell wichtigen Fragen der Zeit Stellung bezieht. ... weiterlesen
www.mais.de

Paradis (M.A.I.S 2003)
http://www.mais-de.de/mais_5_paradies_2003/level_d/kreutzfeldt.html



Freier Wille (M.A.I.S 2005)
http://www.mais-de.de/mais_6_arena_2005/Kreutzfeldt.html

Liverpool (M.A.I.S 2002)
http://www.mais-de.de/beta/kuenstlerliste_k.html